Für die konduktive Förderung nach Petö setzt sich in Altenburg seit zehn Jahren der Verein Maximo- Schrittweise ein. Bis zu dreimal im Jahr organisieren die Mitglieder Förderwochen für Kinder mit cerebralen Bewegungsstörungen.
Igele, Igele, schau mal ins Spiegele.“ Marta Karpati stimmt ein Lied an, das sie schon unzählige Male vor sich hin gesungen hat. Wie von selbst kommen die Worte über ihre Lippen. Denn, auch wenn der Gesang wichtig ist, muss sich die Sonderpädagogin ganz auf ihren Schützling konzentrieren. Sanft hat sie ihre Hände auf die des zwölfjährigen Simon gelegt. Gemeinsam rollen sie einen Massageball über den Tisch. Ein paar Meter weiter steht Simons Mutter Christine Burger und erklärt: „Die Hände sind ganz wichtig. Es gibt spezielle Greifmöbel und -übungen, damit sich die Handfunktionen ausbilden.“ Das sei zur Förderung der Kinder, die wie ihr Sohn an einer spastischen Lähmung leiden, entscheidend. Denn wenn sie ihre Hände bewegen und kontrollieren können, sind für sie auch viele alltägliche Aufgaben machbar. Genau diese Selbstständigkeit und Unabhängigkeit ist das Ziel der konduktiven Förderung, die an diesem Tag in der Altenburger Regenbogenschule praktiziert wird. „Viele Eltern wissen gar nicht, was ihr Kind alles kann“, sagt Burger. „Aber durch die Reize und Impulse lernen die Kinder die Bewegungen. Man überfordert sie damit nicht, sondern sie wollen sich ja bewegen.“
Genau dies ist jedenfalls ihre Erfahrung bei Simon, der seit seiner Geburt spastisch gelähmt ist. Bis er eineinhalb Jahre alt war, lag er hauptsächlich im Bett. „Bereits nach den ersten Tagen mit konduktiver Förderung hatten wir ein ganz anderes Kind“, erzählt sein Vater Martin Burkhardt, wie Simon allmählich lernte, sich aufzurichten, und immer selbstständiger wurde. Durch die offensive Förderung sei ihnen gezeigt worden, was in Simon steckt.
Anfangs nutzen die Starkenberger die Angebote von anderen ehrenamtlichen Initiativen, um Simon die konduktive Förderung zu ermöglichen. Doch die Fahrten zu den Vereinen waren oft lang und nicht nur für die 49-jährige Sängerin und Musiktherapeutin und den 52-jährigen Orchestermusiker anstrengend. Damit Simon nicht aus seinem gewohnten Umfeld gerissen wird, begannen sie, rigenständig eine Förderung in Altenburg zu organisieren. Vor zehn Jahren gründeten sie dafür einen Verein: „Schrittweise“ setzt sich seitdem für die konduktive Förderung nach Petö ein. Bis zu dreimal im Jahr organisieren die 40 Vereinsmitglieder spezielle Förderwochen für Kinder mit cerebralen Bewegungsstörungen. Mehr als 20-mal wurden die Intensivblöcke – anfangs in der Kita „Bärenstark“, inzwischen an der Regenbogenschule – bislang auf die Beine gestellt.
Das Besondere der konduktiven Förderung ist, dass Logopäde, Physiotherapeut, Pädagoge und Ergotherapeut nicht getrennt voneinander mit den Kindern arbeiten. Stattdessen bindet eine speziell ausgebildete Konduktorin Übungen aus allen Fachbereichen direkt in den Tagesablauf ein. Das heißt zum Beispiel: Wenn Kinder essen möchten, werden sie nicht gefüttert, sondern das Besteck wird mit ihnen gemeinsam zum Mund geführt.
„Oft nehmen Eltern ihren Kindern zu viel ab“, sagt Marta Karpati, die in Budapest das Studium zur Konduktorin absolviert hat.
„Die Kinder können vieles aber mit viel Übung lernen.“ Für Burger, stellvertretende Vereinschefin, zählt nicht nur das ganzheitliche Konzept zu den Vorteilen der konduktiven Förderung, auch, dass in der Gruppe trainiert wird und sich die Kinder somit gegenseitig motivieren. Auch an diesem Tag ist Simon nicht allein. Einige seiner Freunde sind zwar schon von ihren Eltern abgeholt worden, aber August sitzt mit ihm gemeinsam an den speziellen Therapiemöbeln, die der Verein mithilfe von Spenden und Mitgliedsbeiträgen erworben hat. Gleich werden beide die nächste Errungenschaft ausprobieren: „Galileo“, eine spezielle Rüttelplatte, die dank Spenden der Frauen des Altenburger Lions Clubs, des Altenburger Benefizskatturniers 2014, der Deutschen Skatbank und Vereinsmitteln angeschafft werden konnte. „Sie wurde ursprünglich für Raumfahrer entwickelt“, erklärt Vereinschef Burkhardt. „Sie bauen in
der Schwerelosigkeit Muskeln ab, die mit dem medizinischen Gerät schnell und effizient wieder trainiert werden können.“ Inzwischen wurde erkannt, dass die Methode auch die Muskeln von spastisch gelähmten Kindern lockern und aktivieren kann. Heute startet Marta Karpati erst einmal langsam. Behutsam setzt sie den zwölfjährigen August auf das Gerät und nimmt auf dem Stuhl dahinter Platz. So kann sie ihn festhalten und seine Position während der Anwendung steuern. Dann beginnt die Platte, sich zu bewegen, der gesamte Boden im Raum vibriert. Karpati sieht man die Anstrengung, die mit dem Festhalten von August verbunden ist, an. Immer wieder kontrolliert sie, ob August richtig sitzt und den Rücken in der gewünschten Position hält. Zudem drückt sie seine Hände sorgfältig auf die vibrierende Platte. „Heute probieren wir erst einmal die Grundübung aus, damit sich die Kinder daran gewöhnen“, erklärt sie drei Minuten später. „Es sind aber noch mehr Übungen möglich.“ Die Konduktorin arbeitet seit fünf Jahren mit dem Verein zusammen, regelmäßig beantwortet sie die Fragen der Eltern. Für die Förderwochen reist sie extra aus Ungarn an. Doch nicht nur sie nimmt lange Wege auf sich. Inzwischen kommen Kinder aus ganz Mitteldeutschland, um an dem Programm der Altenburger Initiative teilzunehmen.
Vor fünf Jahren hat sich der Verein „Schrittweise“ mit seinem Erfurter Pendant „Maximo“ zusammengeschlossen,
der schon seit 1998 die konduktive Förderung nach Petö in der Erfurter Körperbehindertenschule und anderen Thüringer Einrichtungen etablierte. Doch die Angebote in Mitteldeutschland sind längst nicht ausreichend. „In Sachsen gibt es das gar nicht“, sagt Michael Dulig, Augusts Vater. „Wir sind sehr froh, dass es hier in Altenburg organisiert wird. Wir hätten nicht die Kraft, selbst einen Verein zu gründen.“ Deshalb nimmt August schon seit mehr als sieben Jahren an den Förderwochen in der Skatstadt teil, eine Unterkunft für die Zeit wird der Dresdner Familie vom Verein gestellt. „Wir erwarten keine Wunder dadurch“, sagt Dulig. „Aber wir merken, wenn wir hier sind, dass es besser wird und August beweglicher und aktiver ist.“ Wenn es keine Förderung gebe, würden die Muskeln wieder steif. „Es ist natürlich auch für die Eltern unbequem. Sie müssen weitermachen, sonst gehen die Fortschritte wieder verloren.“
Dass die Eltern sich anstrengen müssen, damit die Erfolge zwischen den intensiven Förderblöcken nicht wieder verlernt werden, wissen Burger und Burkhardt. „Idealer wäre es natürlich, wenn die Konduktorin das ganze Jahr über in der Schule tätig wäre“, erklärt Burger. Eine solche Festanstellung sei aber nicht möglich, zudem tragen die Krankenkassen die Kosten der konduktiven Förderung nicht. Allerdings gibt es finanzielle Fördermöglichkeiten durch die Eingliederungshilfe. Dennoch wünscht sich Burger zum zehnten Geburtstag des „Maximo-Schrittweise“ vor allem, dass die konduktive Förderung auch in Mitteldeutschland ins Bildungssystem integriert und flächendeckend angeboten wird. Auch über Spenden würden sie sich freuen, noch viele weitere Jahre wollen sie die Förderwochen anbieten, ergänzt Burkhardt. Der wichtigste Wunsch für beide ist aber, dass es weniger erkrankte Kinder gibt. "Das liegt aber leider nicht in unserer Macht."
Einen Spendenscheck über 2.000 Euro konnten am 08.05.2015 Martin Burkhardt und Dorothea Fuhrmann vom Verein „maximo-Schrittweise“ e.V. in der Regenbogenschule Altenburg aus den Händen von Bernd Wannenwetsch (Sparkasse Altenburger Land) und Raik Romisch (VR-Bank Altenburger Land eG) entgegennehmen.
Die Geschäftsleiter der beiden regionalen Kreditinstitute überbrachten die Zuwendung auch in ihrer Funktion als Vorstandsmitglieder des Altenburger Skatvereins „Die Wenzel“.
Anlässlich des im Februar 2015 durchgeführten Benefiz-Skatturniers der „Wenzel“, welches Frank Tempel (MdB) gewonnen hatte, kamen 1.100 Euro Start- und Verlustgelder der teilnehmenden Vereinsmitglieder und Skatfreunde zusammen. Gemäß Beschluss der Mitglieder des Skatclubs waren die Gelder in diesem Jahr für den Verein „maximo-Schrittweise“ e.V. vorgesehen.
VR-Bank und Sparkasse hatten den Betrag gemeinsam auf den nächsten Tausender aufgestockt. Die Mitglieder von „maximo-Schrittweise“ e.V. engagieren sich seit Jahren für zerebral geschädigte Patienten und organisieren therapeutische Maßnahmen sowie spezielle konduktive Förderungen für betroffene Kinder und Jugendliche.
Dorothea Fuhrmann und Martin Burkhardt nahmen die Spende während einer Therapiesitzung in der Altenburger Regenbogenschule im Beisein der Direktorin Christine Meischl dankend entgegen. Sie erklärten, dass das Geld zur Anschaffung einer sogenannten Galileo-Platte, einem Trainingsgerät zur Stabilisierung der Muskulatur der betreuten Kinder, genutzt werden soll.
VR-Bank Altenburger Land eG | Deutsche Skatbank